Bild: Franziskus zieht sich krank in eine Hütte bei San Damiano zurück. Hier verfasst er den Sonnengesang.


Der Sonnengesang des hl. Franziskus

Aufgrund seiner dichterischen Gestalt und seines Inhalts zählt dieses bekannteste Lied des Troubadours aus Assisi zur Weltliteratur. Es entstand in altitalienischer Sprache im Winter 1224/25, als Franziskus krank in einer Hütte bei San Damiano lag. In seiner Niedergeschlagenheit tröstete ihn der Herr mit der Zusage: „Meines Reiches Brautpfand ist deine Krankheit und als Preis der Geduld erwarte sicher und gewiss das Erbteil an diesem Reich!“ (2 C 213,6). Das Lied ist also die jubelnde Antwort auf eine Erfahrung Gottes in dunkler Nacht. Nach späteren Quellen (Per 84; SP 101) fügte Franziskus die Friedensstrophe hinzu, um einen Streit zwischen dem Bischof und dem Bürgermeister von Assisi zu schlichten, und die Strophe über „Schwester Tod“, als er selber dem Sterben nahe war (Per 7; SP 123). Das Gebet ist nicht nur eine Hymne auf Gottes gute Schöpfung, sondern fordert uns auch heraus in unserem Verhalten zur Welt und in der Annahme von Krankheit und Sterben. Die 33 Zeilen im Original gliedern sich klar in zehn Strophen: in eine Einleitungs- und eine Schluss-Strophe mit acht Zwischengliedern, die durch den Kehrvers „Gelobt seist du, mein Herr“ gekennzeichnet sind. Diese Anrede hebt das „Wiegenlied der italienischen Sprache“ eindeutig über eine bloße Naturmystik hinaus und macht es zum Vertreter christlicher Schöpfungsmystik.

(Die Bilder stammen von dem Künstler Miroslaw Grzelak)




Höchster, allmächtiger, guter Herr,
dein sind das Lob, die Herrlichkeit und Ehre
und jeglicher Segen.
Dir allein, Höchster, gebühren sie,
und kein Mensch ist würdig, dich zu nennen.

Gelobt seist du, mein Herr,
mit allen deinen Geschöpfen,
zumal dem Herrn Bruder Sonne,
welcher der Tag ist und durch den du uns leuchtest.
Und schön ist er und strahlend mit großem Glanz:
Von dir, Höchster, ein Sinnbild.
Gelobt seit du, mein Herr,
durch Schwester Mond und die Sterne;
am Himmel hast du sie gebildet,
klar und kostbar und schön.






Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Wind und durch Luft und Wolken
und heiteres und jegliches Wetter,
durch das du deinen Geschöpfen Unterhalt gibst.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Schwester Wasser,
gar nützlich ist es
und demütig und kostbar und keusch.






Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Feuer,
durch das du die Nacht erleuchtest;
und schön ist es und fröhlich und kraftvoll und stark.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch unsere Schwester, Mutter Erde,
die uns erhält und lenkt
und vielfältige Früchte hervorbringt
und bunte Blumen und Kräuter.




Gelobt seist du, mein Herr,
durch jene, die verzeihen um deiner Liebe willen
und Krankheit ertragen und Drangsal.
Selig jene, die solches ertragen in Frieden,
denn von dir, Höchster, werden sie gekrönt.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch unsere Schwester, den leiblichen Tod;
ihm kann kein Mensch lebend entrinnen.
Wehe jene, die in tödlicher Sünde sterben.
Selig jene, die er findet in deinem heiligsten Willen,
denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun.
Lobt und preist meinen Herrn
und dank ihm und dient ihm mit großer Demut.

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